Du glaubst, dass dir etwas fehlt, wenn du ein Leben ohne Alkohol führst? Ich sage dir: Dir wird nichts fehlen, sondern du wirst nur gewinnen, wenn du alkoholfrei lebst. Vor allem den Mut, deinem Drang nach mehr nachzugeben.
Ich kann das nicht.
Dazu fehlt mir das Talent.
Ich hab' doch gar keine Ausbildung.
Karriere ist mir nicht wichtig.
Ich bin halt beziehungsunfähig.
Streit gehört nun mal in die Beziehung.
Sport ist nicht so mein Ding.
Ich will meine Freiheit nicht gegen Arbeit eintauschen.
Schlafen gehört zu den schönsten Dingen der Welt!
Das war jahrelang meine Top 10 Ausreden für mein Nichtstun.
Ich betete sie rauf und runter. Meistens dann, wenn ich mal wieder verkatert auf dem Sofa lag und mich elend fühlte, vor allem psychisch. Oder wenn ich eine gute Idee hatte, der Drang nach mehr in mir meine Eingeweide in Wallung brachte und ich am liebsten gleich losgelegt hätte – mich dann aber doch lieber fürs Nichtstun entschied.
Nichtstun bedeutete für mich nicht, nichts zu tun.
Nichtstun hiess in meiner Welt nicht etwa, nichts zu tun. Ich tat die ganze Zeit irgendwas: Ich arbeitete fleissig, las viele Bücher, fing irgendwann mit Sport an, führte einen Tipptopp-Haushalt, buk Bananenbrot und machte Pasta selbst. Ich tat immer irgendwas. Aber mir fehlte auch immer irgendwas.
Nichtstun hiess in meiner Welt, mich mit dem zufrieden zu geben, was da war. Auch mit dem, was nicht gut war. Dazu zählten zum Beispiel meine ungesunden Beziehungen, die ich vor allem in meinen Zwanzigern bis zum Exzess führte. Und natürlich der Alkohol. Nichtstun hiess in meiner Welt, meinem Drang nach mehr nicht nachzugehen: dem Drang nach mehr Erfüllung, mehr Gesundheit, mehr von dem, was mich glücklich macht und zufriedenstellt.
Doch der Drang war immer da, und wenn er sich meldete, kam meine Ausredenliste zum Einsatz. Und im Anschluss an meine Ausreden kam gerne ein Glas Prosecco zum Einsatz, weil das Leben ja schön ist so, wie es ist.
Ein Leben ohne Alkohol: Ich wusste nicht, dass es noch viel besser sein kann.
Stattdessen dachte ich, dass mehr einfach nicht drin liegen würde. Und dass die schlechten, bedrückenden und unzufriedenen Phasen dazugehören. Ich wusste nicht, dass mich der Alkohol von all dem abhielt, was mich tatsächlich glücklich machen würde. Denn ich hatte ja meine Ausreden, und sie funktionierten ganz prächtig.
Die Crux, wenn man eine Grauzonen-Trinkerin ist, ist: Du weisst nicht, dass der Alkohol für deine Ausreden sorgt. Du weisst nicht, dass deine Ausreden nur vorgeschoben sind. Ja, manchmal merkst du nicht einmal, dass es dir gar nicht so gut geht, wie du eigentlich glaubst. Und ebenfalls eine Crux ist:
Du musst erst aufhören zu trinken, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen.
Darum weisst du vor deinem Leben ohne Alkohol auch noch nicht, wie viel besser es dir gehen wird, wenn du erst einmal aufgehört hast. Schliesslich gehören Momente, in denen du trinkst, immer noch zu den besseren Momenten in deinem Leben. Ist dein Alltag alkoholfrei, wird das anders. Dein persönliches Wachstum beginnt – oder du begünstigst es noch weiter.
Als ich aufhörte, wurde der Drang nach mehr in mir immer stärker.
So stark, dass ich ihn nicht mehr ignorieren konnte.
Meine Ausreden glaubte ich mir selbst nicht mehr.
Ich zog los und fing an.
PS:
Die Ausreden sind natürlich noch da. Und ich finde, dass schlafen und ausruhen zu den schönsten Dingen der Welt gehören! Aber ich schlafe jetzt nur noch, wenn ich auch wirklich müde bin (und das ist viel seltener als zu der Zeit, als ich noch getrunken habe). Und meinen Selbstzweifeln begegne ich heute, indem ich mich vom Gegenteil überzeuge – was mir nur darum gelingen kann, weil ich etwas tue.
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